„Die Gewohnheit ist ein Seil. Wir weben jeden Tag einen Faden, und schließlich können wir es nicht mehr zerreißen.“
Thomas Mann

Gewohnheiten schleichen sich leise und unauffällig in unseren Alltag ein – und das mit gutem Grund. Im beruflichen Kontext bieten sie uns Struktur, Stabilität und Effizienz:

  • Die Kaffeepause zur gleichen Zeit.

  • Der „angestammte“ Sitzplatz im Meeting.

  • Das immer gleiche Präsentationslayout.

  • Die vertrauten Begrüßungsfloskeln und Handgriffe.

  • Der stets gleiche Arbeitsablauf.

Solche Automatismen entlasten unser Gehirn – neurobiologisch gesprochen: Sie wandern von der Großhirnrinde (Cortex), dem Ort für bewusste Entscheidungen, in tiefere, automatisierte Regionen. So entsteht Handlungssicherheit mit geringem Energieaufwand.

Doch genau hier liegt auch das Dilemma: Was uns auf kurze Sicht entlastet, macht uns auf lange Sicht unbeweglich. Wir werden träge, eingefahren, betriebsblind und veränderungsscheu.

Komfortzone – Lernzone – Panikzone

Ein hilfreiches Modell zur Veranschaulichung ist das sogenannte Zonenmodell der Entwicklung.

  • In der Komfortzone fühlen wir uns sicher. Alles läuft automatisiert – doch genau hier beginnt oft das mentale Einschlafen.

  • In der Lernzone liegt unser Entwicklungspotenzial. Sie fordert uns heraus, ohne uns zu überfordern.

  • In der Panikzone hingegen verlieren wir die Lernfähigkeit, weil Stressreaktionen überhandnehmen.

Wer zu lange in der Komfortzone verharrt, verliert schleichend den Zugang zur Lernzone – die Wege dahin werden sprichwörtlich „verrostet“.

Im Alltag erleben wir dann:

  • Mitarbeitende, die Angst und Widerstände vor einer geplanten Softwareumstellung haben.
  • Pflegefachkräfte, die nur sehr ungern auf einer anderen Station aushelfen möchten.
  • Führungskräfte, die schwierige Gespräche mit Teams und Mitarbeitenden meiden, weil ihre gewohnten Kommunikationsmuster nicht wirken.

Die gute Nachricht

Unser Gehirn bleibt formbar – ein Leben lang. Dieser neuroplastische Schatz will jedoch regelmäßig gehoben werden: durch kleine Irritationen, bewusste Veränderungen und kreative Störungen unserer Routinen. Wer seine Fähigkeit zur Anpassung und Veränderung trainiert, bleibt geistig flexibel und emotional beweglich – zwei entscheidende Faktoren für berufliche Zukunftsfähigkeit.

Wie das geht? Ganz einfach. Beginnen Sie im Kleinen.

Treffen Sie die bewusste Entscheidung, regelmäßig etwas anders zu machen. Experimentieren Sie. Fordern Sie sich heraus. Erlauben Sie sich, etwas zu tun, was Sie noch nie so gemacht haben. Betrachten Sie ein mögliches Scheitern als Zeichen, dass Sie wirklich mal was gewagt haben. 

Mikroveränderungen nutzen

Ganz konkret können Sie Ihr Training der Veränderungsfähigkeit mit sogenannten Mikroveränderungen wie den folgenden trainieren:

  • Wählen Sie bewusst einen anderen Weg zur Arbeit.
  • Setzen Sie sich auf einen anderen Platz im Besprechungsraum.
  • Präsentieren Sie Inhalte mal analog am Flipchart statt digital mit PowerPoint.
  • Variieren Sie Ihre Sprache, Ihre Begrüßungen oder Ihr Meetingformat.
  • Wechseln Sie Informationsquellen, abonnieren Sie neue Denkimpulse.
  • Führen Sie ein wichtiges Gespräch beim Spaziergang statt am Schreibtisch.
  • Machen Sie Pausen zu anderen Zeiten oder verändern Sie Ihren Tagesstart.
  • Essen Sie in der Mittagspause mit jemandem, mit dem Sie noch nie gesprochen haben.
  • Führen Sie ein Meeting im Stehen oder an einem ungewöhnlichem Ort durch.
  • Arbeiten Sie mal einen ganzen Tag ohne Rechner und Telefon.
  • Tauschen Sie mit Mitarbeitenden mal für einen Tag den Arbeitsplatz oder hospitieren Sie zumindest bei jemanden Anderem.
  • Starten Sie ein Meeting auf ungewöhnliche Art und Weise.
  • Laden Sie Ihr Team in der Pause zu einem spontanen Tanz in der Küche ein.
  • Arbeiten Sie auf eine kreative Art und Weise – zum Beispiel mit Collagen, Aufstellungen oder Bildern – an einem Thema.
  • Laden Sie Ihre Mitarbeitenden und Kolleg*innen ein, weitere Mikroveränderungen vorzuschlagen.

Solche Mikroveränderungen wirken wie Dehnübungen für den Geist.
Sie stärken Ihre Veränderungsmuskulatur, fördern Ihre Anpassungsfähigkeit und schenken Ihnen immer wieder neue Perspektiven. Ganz nebenbei wecken Sie die Neugier Ihrer Kolleginnen und Kollegen – und regen damit vielleicht auch deren Lernzonen an.

Bleiben Sie also in Bewegung.

Nicht weil Sie müssen. Sondern weil Sie es können.