OKRs verstehen, nutzen, einführen

Ein wirksames Zielsystem für moderne Führung

Ziele gehören zur Führung wie das Steuer zum Schiff. Doch während viele Organisationen noch immer mit starren Jahreszielen, klassischen Zielvereinbarungsgesprächen und Top-down-Vorgaben arbeiten, setzen innovative Unternehmen längst auf ein anderes Prinzip: OKR – das steht für „Objectives and Key Results“.

Was bedeutet das konkret? Wie unterscheidet sich OKR von klassischen Zielsystemen? Und wie funktioniert OKR in der Praxis? In diesem Artikel teile ich meine Perspektive auf dieses System und gebe dir einen kompakten Überblick zur Anwendung in deinem Führungsalltag.


Was sind OKRs?

OKRs sind ein dynamisches Zielsystem, das in unterjährigen Zeitabschnitten – meist quartalsweise – arbeitet. Im Zentrum stehen zwei einfache Fragen:
Was wollen wir wirklich erreichen? Und woran erkennen wir, dass wir vorankommen?

Dazu werden zwei Komponenten unterschieden:

  • Objective: Ein qualitatives, inspirierendes Ziel, das motivierend formuliert ist

  • Key Results: 3–4 messbare Schlüsselergebnisse, die zeigen, ob das Ziel erreicht wurde

Beispiele aus der Praxis:

OKR-Beispiel Kundenservice:

Objective: Wir schaffen für unsere Kundinnen und Kunden ein deutlich spürbareres, wertschätzendes Serviceerlebnis.
Key Results:

  • 90 % der E-Mail-Anfragen werden innerhalb von zwei Werktagen beantwortet

  • Die durchschnittliche Wartezeit bei Terminen sinkt von 18 auf unter 10 Minuten

  • Mindestens 80 % der Besuchenden bewerten ihren Kontakt als „sehr freundlich“

  • Drei interne Prozesse werden gemeinsam mit dem Team verschlankt oder digitalisiert

OKR-Beispiel Pflege:

Objective: Wir bieten unseren Patientinnen und Patienten eine liebevolle Pflege mit Zeit, Nähe und Verlässlichkeit.
Key Results:

  • 95 % der Grundpflegeeinheiten werden vollständig und in Ruhe durchgeführt

  • Die persönliche Zuwendungszeit steigt um 15 Minuten pro Schicht

  • 90 % der Patient:innen fühlen sich laut Befragung gut versorgt

  • Zwei Belastungsfaktoren im Stationsalltag werden konkret verändert oder delegiert


Was unterscheidet OKRs von herkömmlichen Zielsystemen?

Die Unterschiede sind deutlich und machen OKR zu mehr als nur einem „neuen Tool“ – es ist eine andere Haltung zur Führung und Zusammenarbeit.

1. Von Kontrolle zu Klarheit:
OKRs fördern Selbststeuerung statt Kontrolle. Sie setzen auf Transparenz, nicht auf Geheimverträge in Zielvereinbarungen.

2. Von Top-down zu partizipativ:
OKRs werden gemeinsam entwickelt – Teams können eigene Ziele vorschlagen, die auf übergeordnete Ziele einzahlen.

3. Von Fixierung zu Flexibilität:
Ziele werden regelmäßig überprüft, angepasst oder auch verworfen, wenn sie nicht mehr sinnvoll sind. Lernprozesse stehen im Vordergrund.

4. Von Bewertung zu Entwicklung:
OKRs sind nicht mit Boni oder Gehaltssteigerungen verknüpft – das reduziert Angst und fördert kreative Lösungswege.

Gerade in der konsequenten Umsetzung und Anwendung dieser Prinzipien zeigt sich der Unterschied zu klassischen Zielvereinbarungen und deren tiefgehende Wirkung.

Wie wirken OKRs in der Praxis?

Richtig eingesetzt, entfalten OKRs ihre Wirkung auf mehreren Ebenen:

  • Sie schaffen Fokus: Das Team konzentriert sich auf wenige, wirklich wichtige Themen.

  • Sie fördern Transparenz: Jeder weiß, woran andere arbeiten – das stärkt Abstimmung und Vertrauen.

  • Sie stärken die Eigenverantwortung: Mitarbeitende erleben sich als Gestalter ihrer Arbeit.

  • Sie unterstützen eine lernende Organisation: Regelmäßige Check-ins und Retrospektiven ermöglichen Reflexion und Anpassung.

  • Sie machen Erfolg sichtbar – nicht nur als Endergebnis, sondern auch im Fortschritt.

Das Entscheidende: OKRs bringen Leben ins Zielsystem. Sie schaffen einen Rhythmus aus Fokussieren, Ausprobieren, Überprüfen und Weiterentwickeln.

Wie funktioniert OKR konkret?

Der OKR-Zyklus gliedert sich in sechs klare Schritte:

  1. Zielrichtung klären:
    Was ist im kommenden Quartal wirklich wichtig? Wo liegt der Fokus des Unternehmens?
  2. Objectives und Key Results definieren:
    Führungsebene und Teams entwickeln gemeinsam ambitionierte Ziele und konkrete Schlüsselergebnisse.
  3. Commitments eingehen:
    Die OKRs werden abgestimmt, veröffentlicht und für alle sichtbar gemacht – etwa im Intranet, am Teamboard oder einem OKR-Tool.
  4. Regelmäßige Check-ins:
    Wöchentliche oder zweiwöchentliche Kurz-Reviews im Team (15–30 Minuten): Wo stehen wir? Was behindert uns? Was haben wir gelernt?
  5. End-of-Cycle-Review:
    Nach dem Quartal wird gemeinsam reflektiert: Was wurde erreicht? Was nicht? Was nehmen wir mit?
  6. Neuer Zyklus startet:
    Auf Basis der Erkenntnisse werden neue OKRs entwickelt – oft iterativ verbessert.

Was sollte eine Führungskraft beachten?

OKR ist kein Selbstläufer – besonders die Anforderungen an die Rolle und Haltung der Führung verändern sich deutlich:

  • Vom Entscheiden zum Ermöglichen: Gute Führung mit OKRs heißt, Raum zu geben, statt Antworten vorzugeben.

  • Klarheit statt Mikromanagement: Führung sorgt für Orientierung – ohne alles selbst zu kontrollieren.

  • Vorbilder schaffen Kultur: Führungskräfte sollten selbst OKRs nutzen und transparent damit umgehen.

  • Geduld mit der Lernkurve: OKRs erfordern Übung – nicht alles klappt sofort, Iteration ist Teil des Prozesses.

  • Qualität vor Quantität: Drei bis fünf Objectives pro Team mit maximal vier Key Results – weniger ist mehr.

Wie gelingt die Einführung von OKRs?

Wer OKR erfolgreich einführen will, braucht mehr als ein neues Template. Es braucht einen klaren Rahmen, echte Beteiligung und ein gemeinsames Verständnis.

Hier ein möglicher Weg:

  • Starte mit einem motivierten Pilotteams, sammle Erfahrung, erweitere dann

  • Nutze Begleitung und Coaching – intern oder extern

  • Kommuniziere transparent: Was ist neu, was bleibt?

  • Etabliere Retrospektiven, um die Qualität der OKR-Arbeit kontinuierlich zu verbessern

  • Und: Halte es pragmatisch. Fang an, lerne, entwickle weiter.

OKR ist Zielarbeit, die Menschen einlädt mitzuwirken

OKRs machen aus Zielen eine gemeinsame Aufgabe. Sie helfen, Klarheit zu schaffen, Verantwortung zu teilen und Entwicklung möglich zu machen. Für mich ist OKR kein starres Tool, sondern ein lebendiger Rahmen für gutes Arbeiten – offen, dialogisch, wirksam.

Wer OKRs einführt, entscheidet sich für mehr Transparenz, mehr Beteiligung und mehr Sinnorientierung. Und genau das brauchen viele Organisationen heute mehr denn je.