Was tun, wenn mein Team dauerhaft überlastet ist?
7 Strategien für Führungskräfte zwischen Verantwortung und Realität
Für viele Teams und Führungskräfte ist Personalmangel und Überlastung längst tägliche Realität: Seit Monaten fehlt Personal – wegen Krankheit, Kündigungen oder weil schlicht keine Bewerbungen mehr kommen. Trotzdem läuft die Arbeit weiter. Die Anforderungen steigen. Und die Belastung ebenso.
Du kennst das?
Du hörst Sätze wie:
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„Ich weiß nicht, wie lange ich das noch schaffe.“
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„Ich komme zu nichts mehr – alles bleibt liegen.“
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„Ich will nur noch weg.“
Vielleicht sind auch schon Mitarbeitende aufgrund dieser Belastung erkrankt oder sogar frustriert gegangen. Das Problem hat sich weiter verschärft.
Als Führungskraft stehst du mittendrin: Du willst dein Team schützen. Aber du kannst die strukturellen Engpässe nicht einfach wegzaubern. Was also tun?
Hier kommen sieben konkrete Strategien – aus der Praxis für die Praxis. Nicht perfekt, aber wirksam.
1. Setze klare Prioritäten: Weniger ist manchmal gesünder
Beispiel Pflegebereich:
Ein Team auf einer geriatrischen Station betreut 28 Patient:innen. Statt vier Pflegekräfte sind an manchen Tagen nur zwei im Dienst. Die Stationsleitung setzt sich mit dem Team zusammen und erstellt eine gemeinsame Prioritätenliste: Was ist unverzichtbar (z. B. Medikation, Mobilisation)? Was ist wichtig, aber bei Personalnot verschiebbar (z. B. Fußbäder, umfangreiche Dokumentation)? Was kann delegiert oder vereinfacht werden?
Führungsimpuls:
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Sprecht offen über die Realität: Was ist bei diesen Ressourcen realistisch leistbar?
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Sage klar, was nicht geschafft werden muss.
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Hole auch ärztliche Leitung oder Verwaltungsleitung ins Boot, um Prioritäten abzustimmen.
Merksatz: Besser 5 Dinge gut als 10 Dinge halbherzig.
2. Entrümpele die Prozesse – gemeinsam mit dem Team
Beispiel Verwaltung:
Ein kleines Team in der Bauaufsicht hat zu viele Vorgänge, zu wenig Personal und ständig neue Berichtspflichten. Im Teamworkshop stellt sich heraus: Viele doppeln sich bei der Aktenpflege oder verwenden uneinheitliche Formulare, die Nacharbeit nötig machen.
Was hilft:
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Prozesse visualisieren und gemeinsam prüfen: Wo entstehen unnötige Schleifen?
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Eine „Weg damit“-Liste führen: Was kann vereinfacht, gestrichen, digitalisiert oder delegiert werden?
Führungsimpuls:
Mach Entlastung zur Teamsache. Die besten Ideen kommen oft von den Betroffenen selbst – wenn sie gehört werden.
3. Mach die Überlastung sichtbar – nicht normal
Beispiel Leitungsrunde in der Kommune:
Ein Fachbereich meldet seit Monaten Überlastung. Trotzdem heißt es von oben: „Ihr seid Profis, ihr kriegt das schon hin.“ Folge: Die Leitung schweigt, um nicht als schwach zu gelten – und das Team resigniert.
Alternative:
Die Leitung dokumentiert systematisch: Überstunden, krankheitsbedingte Ausfälle, unerledigte Vorgänge, Fehlerquellen. Diese werden sachlich und ruhig aufbereitet und in einer übergeordneten Runde präsentiert.
Führungsimpuls:
Mach dir bewusst: Es ist nicht Jammern, wenn du Überlastung ansprichst. Es ist Führungsverantwortung.
4. Verteile Verantwortung fair und fördere den Teamgeist
Beispiel Kita-Team:
Ein kleines Team betreut eine altersgemischte Gruppe mit zwei pädagogischen Fachkräften weniger als vorgesehen. Die Leitung führt wöchentliche Mini-Check-ins ein: 15 Minuten, in denen jede:r sagen kann, was gerade besonders schwer ist – und was gut klappt.
Sie fragt bewusst: Wo brauchst du Unterstützung? und: Was kannst du heute für dich tun, um stabil zu bleiben?
Führungsimpuls:
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Etabliere eine offene, mitfühlende Gesprächskultur.
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Verhindere Einzelkämpfertum.
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Sprich Kollegialität an, wenn jemand sich zu sehr zurückzieht – aber nicht anklagend, sondern als Einladung.
5. Ermögliche Mikropausen – und sei dabei Vorbild
Beispiel Krankenhausstation:
Die Stationsleitung führt die „2-Minuten-Stille“ ein – jeden Tag um 11 Uhr. Kurz innehalten, durchatmen, bewusst spüren: Wie geht’s mir gerade?
Nach anfänglicher Skepsis wird es zur Kraftquelle – gerade in chaotischen Zeiten.
Führungsimpuls:
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Schaffe kleine Räume für Selbstfürsorge – auch wenn der Alltag keine „großen“ Pausen erlaubt.
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Sei selbst Vorbild: Iss nicht nur am Computer, gehe bewusst mal raus. Deine Haltung wirkt stärker als jede Anweisung.
6. Nicht nur reagieren – sondern am System arbeiten
Beispiel Sozialdienst:
Eine Bereichsleitung stellt fest: Drei von acht Mitarbeitenden sind dauerhaft überlastet – wegen Aufgaben, die außerhalb ihrer Kernrolle liegen. Sie entwickelt mit der Personalabteilung ein Konzept: neue Rollenprofile, Delegationsmöglichkeiten, Digitalisierung von Vorgängen.
Führungsimpuls:
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Nimm dir Zeiten mit etwas Luft für strukturelle Schritte.
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Formuliere Verbesserungsvorschläge, die auf mittlere Sicht greifen können.
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Sammle belastbare Daten – sie überzeugen mehr als Appelle.
7. Nutze die Kraft des Positiven – Wertschätzung, Sinn und Humor nicht verlieren
Beispiel Bürgeramt:
Ein Team arbeitet oft am Limit. Die Leitung bringt wöchentlich eine Karte mit dem Titel „Was lief gut diese Woche?“ – und lässt sie reihum beschriften. Am Monatsende wird vorgelesen. Gelächter, kleine Erfolge, ein Moment des Stolzes.
Führungsimpuls:
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Schaffe Gelegenheiten, gemeinsam zu lachen, innezuhalten, stolz zu sein.
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Zeige: Ich sehe euch. Ich schätze euch. Ich bin bei euch.
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Das wirkt stärker als manch große Maßnahme.
Überforderung ist real – aber nicht alternativlos
Du kannst dein Team nicht vor allen Belastungen schützen. Aber du kannst dafür sorgen, dass sich niemand damit allein fühlt.
Du kannst Prioritäten klären, Prozesse vereinfachen, Mitgefühl zeigen und Strukturen hinterfragen. Du kannst Verbündete suchen, Räume für Erholung schaffen und immer wieder an das erinnern, was euer Handeln sinnvoll macht.