Fragen

Bittere Grüße aus Dresden
Diese bitteren Zeilen einer sehr guten Freundin aus Dresden haben mich gerade erreicht und sehr betroffen gemacht.
Was geht da vor in diesem unseren Land? Was zeigt sich da gerade? Wo soll das hinführen?
Und wie können, sollen, wollen wir damit umgehen? Wie können wir differenzieren, verstehen und verständlich machen, und so hoffentlich eine unheilvolle Entwicklung wieder in einen konstruktiven Dialog wandeln?
Ich habe noch keine Antworten. Erstmal nur Fragen.

Marion

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Betreff: Grüße aus Dresden
Datum: 14. Januar 2015 17:14:40 MEZ

Liebe Freundinnen und Freunde,

aus gegebenem Anlaß (und da ich gerade keine Lust auf meine Arbeit habe), will ich Euch vielen Auswärtigen, die Ihr aber alle irgendwie mit der Stadt verbunden seid, mal ganz kurz schildern, wie sich das Leben hier für mich grade anfühlt.

Ihr wißt alle, was in Dresden los ist. Auf spiegel-online beschäftigten sich heute die ersten beiden großen Artikel mit Dresden http://www.spiegel.de/ und bei SZ-Online könnt Ihr mal diese beiden lesen:
http://www.sz-online.de/nachrichten/drohungen-verhindern-asylheim-3014655.html
http://www.sz-online.de/nachrichten/mordkommission-ermittelt-im-fall-des-toten-asylbewerbers–3014095.html

Freunde von mir denken über einen Wegzug aus der Stadt nach; Kinder von Freunden die in anderen Städten leben, wollen niemandem mehr sagen, dass sie Dresdner sind. 2 meiner 5 Kollegen sind deutlich geoutete Sympathisanten, eine Kollegin denkt wie ich, die anderen beiden….? Das verdirbt mir die Freude, jeden Morgen ins Büro zu gehen. In den Schulklassen ist das Verhältnis ähnlich.
Wir haben am Montag abend auf einer Kundgebung miterleben müssen, wie einer jüdischen Frau, eine Größe in Dresden (Organisatorin der Jüdischen Musik- und Theaterwoche) während ihrer Rede sehr aggressiv „Halts Maul“ entgegengerufen wurde. Insgesamt echt grauenhaft irgendwie. Glaubt mir, mir und einigen meiner Freunde wird wirklich schlecht.
Die Parallelen zu Naziaufmärschen, die man aus Filmen kennt, sind mehr als deutlich. Und wir spüren, dass wir beim Diskutieren über die aktuelle Situation bzw. auf der Straße in der Nähe dieser Pegida-Aufzüge selbst ungewohnt aggressiv werden – alle. Es bleibt uns kaum was übrig, auch wenn wir dagegen laufen, als uns zu schämen für das, was in unserer Stadt passiert.

Ein Lichtblick für mich ist, dass die Einstellung in meinem Dresdner Freundeskreis im großen und ganzen meiner eigenen entspricht (das geht derzeit durchaus nicht allen so!!! – es gehen Risse durch Freundeskreise und Familien, man hört Meinungen von Menschen, von denen man nie gedacht hätte, sie so argumentieren zu hören!) und auch, dass die Kulturschaffenden sich gemeinsam deutlich gegen Pegida positionieren, dass die Semperoper das Licht ausschaltet, dass am Schauspielhaus derzeit jeden Abend nach der Vorstellung der Aufruf für ein weltoffenes Dresden verlesen wird: http://www.staatsschauspiel-dresden.de/home/fuer_ein_weltoffenes_dresden/ und dass einfach die Pegida-Gegner auch ein bisschen dichter zusammenrücken.

Dies mal ein kurzer, ganz persönlicher Eindruck aus Dresden an die, die Ihr die Stadt auch anders kennt.

Herzliche Grüße von
H.